Bund-Länder-Brief an Minister Scheuer zu Regionalflughäfen

In einem Brief habe ich mich zusammen mit meinem Kollegen Matthias Gastel und mit Landtagsabgeordneten aus neun Bundesländen an Verkehrsminister Andreas Scheuer gewandt. Wir wollen den Minister durch unsere gemeinsame Aktion dazu bewegen, seine Absicht zu überdenken. Denn er möchte defizitäre Regionalflughäfen dauerhaft mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt unterstützen.

Aus unserem Brief:

Die EU verbietet ab 2024 staatliche Zuschüsse für Flughäfen. Schon vor der Corona-Krise war absehbar, dass Regionalflughäfen, die sich überwiegend im Besitz der Länder und Kommunen befinden, bis dahin nicht wirtschaftlich arbeiten und dann dicht machen müssen. Deshalb wurde im vergangenen Jahr beschlossen, dass den Regionalflughäfen jährlich 50 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt zufließen sollen. Sie hatten Schwierigkeiten damit einen Weg zu finden, der nicht mit den EU-Beihilfeleitlinien kollidiert. Der erste Versuch, den Flughäfen über subventionierte Dienste der Deutschen Flugsicherung Hilfen zukommen zu lassen, erwies sich als Irrweg. Aufgrund der zahlreichen Probleme beabsichtigen Sie deshalb eine alternative Unterstützungsmöglichkeit vorzulegen.

Die Aussichten der meisten kleineren Verkehrsflughäfen waren schon vor der Corona-Krise schlecht. Anstatt den Ländern und Kommunen jetzt die Entscheidung für einen Ausstieg zu erleichtern, senden die von Ihnen befürworteten 50 Millionen Euro, die Sie auch über das Jahr 2024 hinaus zahlen wollen, ein völlig falsches Signal. Länder und Kommunen sollten davor bewahrt werden, noch mehr Geld in diesen Fässern ohne Boden zu versenken und mit allen Mitteln an unsinnigen Flughäfen festzuhalten. Sie alle haben jetzt dringlichere Aufgaben, als – auch zu normalen Zeiten – halbleere, notleidende Urlaubsfliegerstützpunkte zu alimentieren.

Zahlreiche Studien belegen, dass viele der kleineren Verkehrsflughäfen alles andere als ein Segen sind. Die Mehrzahl arbeitet dauerhaft stark defizitär. Flughafeninfrastruktur ist im Hinblick auf Sicherheit und technische sowie personelle Ausstattung besonders kostenintensiv. Die kleineren Flughäfen können diese Kosten nicht selbst stemmen. Denn durch das Überangebot an Flughafeninfrastruktur wird die Marktmacht der Fluggesellschaften so groß, dass keine kostendeckenden Flughafengebühren erhoben werden können. Zugleich bleiben durch die Vielzahl der Verkehrsflughäfen die Einzugsgebiete so klein, dass eine kritische Masse von Passagieren, die für eine Kostendeckung notwendig wäre, nicht zusammengeführt werden kann.

Auf vielfältige Weise werden diese Flughäfen mit Steuergeld unterstützt und künstlich am Leben erhalten. Durch die Corona-Krise verschärft sich die Situation, vielerorts werden Flughäfen in Rettungsprogramme einbezogen. Der Bund der Steuerzahler hat für das Jahr 2018  - also für die Zeit vor der Corona-Krise – eine Last von insgesamt 100,3 Millionen Euro für die 21 kleineren Verkehrsflughäfen errechnet. Jeder Flughafen kostet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler damit durchschnittlich annähernd 5 Millionen Euro.

Der volkswirtschaftliche Nutzen der Regionalflughäfen ist jedoch überschaubar. In jedem Fall wird der Standortvorteil für die lokale Wirtschaft überschätzt. Das Streckenangebot dieser Flughäfen ist klein und konzentriert sich meist auf klassische Ferienziele. Für den Großteil der Flugverbindungen müssen die Kunden auch heute auf andere Airports (oder Geschäftsflugzeuge) ausweichen. Ihnen wäre mit einer besseren Verkehrsanbindung am Boden mehr geholfen. Regionalflughäfen schaffen zwar Arbeitsplätze und damit Einkommen in der Region. Steuerlich subventionierte Arbeitsplätze haben aber in anderen Branchen den gleichen Effekt und wären für klimafreundliche Projekte zudem ungleich sinnvoller und zukunftsorientierter eingesetzt.

Die im November 2019 von der Bundesregierung beschlossene Verwendung der 50 Millionen Euro zur Unterstützung der Regionalflughäfen ist mehrfach sinnwidrig. Die Flughäfen konkurrierten schon vor Corona um Verkehre, sie kannibalisieren sich gegenseitig und fördern so das Billigflugsegment. Um diesen Missstand und die daraus resultierende Wettbewerbsverzerrung abzustellen, hat die EU Leitlinien eingeführt, die ein Ende der Subventionen herbeiführen sollen. Die Unterstützungsmaßnahme der Bundesregierung wirkt der von der EU erhofften Konsolidierung des Angebots entgegen.

Zudem werden die 50 Millionen Euro durch die Erhöhung der Luftverkehrsteuer gegenfinanziert. Die Luftverkehrsteuer wurde aber als Klimamaßnahme im Rahmen des Klimapakets angehoben, was unter anderem erklärtermaßen zu einer Verlagerung von Kurzstreckenflüge auf die Schiene beitragen sollte. Die 50 Millionen Euro aber wirken wie eine verkehrsfördernde Maßnahme für Billigflieger und bewirken das exakte, klimaschädigende Gegenteil.

Spätestens seit der Bund mit so viel Geld in den Betrieb der Regionalflughäfen eingreift, muss er auch Verantwortung für den Flughafenwildwuchs übernehmen. Ein verkehrsträgerübergreifendes Konzept, das den Luftverkehr einbezieht, ist schon längst überfällig. Ein solches Konzept würde das volle Ausmaß an Flughafenüberkapazität offenbaren. Daraus muss die Aufgabe resultieren, das weitere Vorgehen von Ländern und Kommunen zu moderieren, die wegen der komplizierten Strukturen und Verflechtungen vor Ort oftmals die Kraft nicht finden, Konsequenzen aus Fehlinvestitionen zu ziehen.

Die Abgeordneten der Grünenfraktionen aus dem Bund und den Ländern fordern Sie deshalb dazu auf, die Bemühungen um eine weitere Subventionierung von Regionalflughäfen unverzüglich einzustellen, den bereits beschlossenen Betrag von jährlich 50 Millionen Euro umzuwidmen für Verkehrswendeprojekte in den Ländern und Kommunen, ein bundesweites Verkehrskonzept unter Einbeziehung des Luftverkehrs vorzulegen und eine Umgestaltung der Luftverkehrsinfrastruktur in Deutschland moderierend zu begleiten.

Dem Vorstoß der Flughafen-Interessenvertreter, die Deadline der EU-Beihilfeleitlinien nach hinten zu verschieben, darf auf keinen Fall nachgegeben werden. Das Verkehrsministerium wird aufgefordert in der EU, insbesondere während der deutschen Ratspräsidentschaft, entsprechend zu agieren.

 

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