Expert*innengespräch: Wie weiter mit Mittel- und Langstreckenflügen?

Mit Fachleuten verschiedener Organisationen haben wir uns darüber ausgetauscht, wie es mit Mittel- und Langstreckenflügen, die für den weitaus größten Anteil am CO2-Ausstoß des Luftverkehrs verantwortlich sind, weitergehen kann. Ich danke Prof. Dr. Manfred Aigner (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), Uta Maria Pfeiffer (Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie), Urs Maier (Agora-Verkehrswende), Dr. Stefan Weber (MTU Aero Engines) und Prof. Dr. Gernot Klepper (Institut für Weltwirtschaft Kiel) für ihre Beiträge und den offenen Austausch.

Da schnelle Verbesserungen erforderlich sind, kann die Modernisierung der Flugzeugflotten eine wichtige Rolle spielen. Die aktuellsten Flugzeugmodelle verbrauchen deutlich weniger Kerosin als die Vorgängermodelle und verursachen zudem weniger Lärm. Weitere Verbesserungen sind für die Nachfolgemodelle realistisch. Irgendwann stoßen die Effizienzgewinnen aber an Grenzen. Außerdem hat das Verkehrswachstum bisher alle Erfolge überkompensiert.

Deshalb ist die Einigkeit darüber groß, dass weitere CO2-Einsparungen über Treibstoffe erfolgen müssen, die im Idealfall CO2-neutral verbrannt werden. Mit solchen synthetischen Treibstoffen (Power-to-Liquid, PtL) kann Energie besser gelagert und leichter verteilt werden, als es bei Strom und Wasserstoff der Fall ist. Zudem können die bestehenden Kraftstoffstrukturen und die bestehenden Flugzeugflotten annähernd unverändert weiter verwendet werden. Angesichts der gebotenen Eile sind das große Vorteile.

Elektrisches Fliegen ist auf Mittel- und Langstrecken aufgrund des Gewichts der dafür erforderlichen Batterien nicht möglich. Denkbar wäre allenfalls eine Hybridlösung mit Wasserstoff und Brennstoffzellen. Dabei müssten aber viele Sitzplätze für voluminöse Wasserstofftanks weichen. Zusätzlich müsste dafür eine neue Infrastruktur am Boden geschaffen werden. Eine schnelle Lösung ist das nicht.

Auch der unmittelbare Einsatz von Wasserstoff ist denkbar. Der Energieverlust bei der Herstellung ist geringer, als bei PtL. Dafür ist allerdings eine neue Flugzeugflotte notwendig. Bis marktreife Flugzeuge entwickelt sind, vergeht viel Zeit. Zudem werden Flugzeuge unter normalen Voraussetzungen 20 bis 30 Jahre lang geflogen. Ein spürbarer Effekt wird hier auch bei günstigen Bedingungen auf sich warten lassen.

Der Energiebedarf für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen ist allerdings sehr groß. Deutschland wird auf den Import von Energie angewiesen sein, denn unsere Kapazität an grünem Strom wird auch in Zukunft nicht ausreichen. Ist der verwendete Strom nicht grün, schaden synthetische Treibstoffe dem Klima. Unter Verwendung des aktuellen deutschen Strommixes würde man mit PtL erheblich mehr CO2 verursachen, als beim Einsatz von fossilem Kerosin. Genau aus diesem Grund darf PtL auch nicht für Pkw eingesetzt werden. Der direkte Einsatz von Strom in E-Autos ist viel effizienter. Der grüne Strom für die PtL-Herstellung  muss außerdem zusätzlich produziert werden, sonst wird er an anderer Stelle durch fossile Energieträger ersetzt.

Es ist klar, dass Fliegen mit PtL teurer wird. Wir brauchen deshalb Kostenanreize. Das kann z. B. über den CO2-Preis und eine Beimischungsquote für synthetische Kraftstoffe gehen. Für die deutsche Industrie entstehen Vorteile, wenn es ihr weiterhin gelingt, Technologieführer bei den Anlagen zu sein.

Der Einsatz synthetischer Kraftstoffe kann auch die sehr erheblichen sekundären Klimaeffekte reduzieren, die durch Fliegen in großer Höhe entstehen sowie die Belastung durch Ultrafeinstaub im Flughafenumfeld.

Synthetische Kraftstoffe stellen aber keineswegs die Lösung aller Probleme dar. Bisher gibt es PtL erst in Labormengen. Bis ein nennenswertes Volumen zur Verfügung steht, wird viel Zeit vergehen. Zudem bleibt bei der Verbrennung ein erheblicher Teil der bedeutenden sekundären Klimaeffekte bestehen. Das Fliegen wird, selbst wenn in ferner Zukunft 100 % synthetische Treibstoffe getankt werden sollten, weit entfernt von Klimaneutralität sein.

Die sekundäre Klimawirkung des Luftverkehrs lässt sich durch das Umfliegen besonders klimasensibler Zonen weiter senken, aber nicht ganz vermeiden. Aber auch dafür sind unbedingt endlich Anreize notwendig, da diese "Umwege" Mehrkosten verursachen.

Aus diesen Sachverhalten müssen die Luftverkehrsbranche, die Forschung, die Industrie und die Verantwortlichen in der Politik ihre Schlüsse ziehen.

 

 

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